![]() |
Home Pressearchiv Zur Geschichte... Zusammengehen mit Pritzwalk trug Früchte | |||
Zusammengehen mit Pritzwalk trug Früchte | ||||
MAZ blickt zurück in die 50-jährige Geschichte der Perleberger Spielleute / Heute: die 60er Jahre | ||||
Märkische Allgemeine vom 13. August 2005 | ||||
Perleberg Anfang der 60er Jahre, gerade, als die
Zeiten für den Perleberger Spielmannszug etwas besser wurden, gingen
Gerhard und Klaus Dröge zur Nationalen Volksarmee. "Das war zwar
ein Einschnitt, aber es kam uns andererseits auch zugute, als die beiden
wieder da waren", erinnert sich Hans-Anton Nohr. "Da kam dann doch noch
ein anderer Schliff rein." Bis es soweit war, hatten die eineiigen Zwillingsbrüder ihre Lehre zum Klempner und Installateur (Klaus) und zum Maler (Gerhard) absolviert. "Zu dieser Zeit hatten die Flöter immer noch nach Grifftabellen geübt und die Trommler nach Gehör", erinnern sich die Brüder, die dem Spielmannszug noch heute verbunden sind. Dann ging es für Klaus Dröge zum Stabführerlehrgang nach Greiz in Thüringen. "Das war schon ganz schön hart", erinnert er sich. "Denn als gefragt wurde, wer Noten kann, musste ich sagen 'tut mir Leid, das habe ich nicht gelernt'. Aber ein erfahrener Ausbilder hat mich beiseite genommen und gesagt, 'das ist nicht schwer'. Innerhalb eines Vormittags konnte ich die Trommelnoten." Mit dem Wissen kehrte Klaus Dröge nach Perleberg zurück und brachte dort zunächst seinem Bruder das Notenlesen und -schreiben bei, und dann auch einigen anderen. "Endlich konnten wir die Trommelschläge in Noten darstellen und die Grifftabellen für die Flöter in Noten übertragen", ergänzt sein Bruder Gerhard. Da beide Dröge-Brüder im Berufsleben standen, blieben für das zeitaufwändige Übertragen nur sehr späte Stunden. "Bis nachts um 2 Uhr haben wir gesessen und Notenlinien mit dem Lineal gezeichnet", erinnern sich die Brüder. Mit Spezialtusche entstanden auf Pergamentpapier (im Volksmund Butterbrotpapier) Notensätze, die teilweise besser aussahen, als die auf saugfähigem Papier gedruckten Originale. Aber neben höherer Lesbarkeit hatte das Pergament einen weiteren Vorteil. Das feine Relief, das die Feder zu Pergament brachte, konnte mit einer riesigen Hektographiemaschine zu einigen hundert Seiten (auf Ormig-Papier) vervielfältigt werden. Aber wo gab es solch ein Gerät? "Bei Liegenschaften in der Berliner Straße hatten sie so eine Maschine. Da sind wir hin, haben eine Schachtel Pralinen für die Damen mitgebracht, und die haben uns Abzüge gemacht", erinnern sich die Dröges. Ein paar Minuten und etliche Lungenzüge voll Ammoniakdampf später hielten sie brauchbares Notenpapier mit Marschnoten in den Händen. Doch auch wenn sich für die Spielleute in Perleberg einiges zum Guten wendete, die große Politik stand auf Sturm. 1961, im Jahr als die Mauer gebaut wurde, wollten die Perleberger zu einem Gastspiel nach Lanz. "Aber wir sind nur bis Lenzersilge gekommen", erinnert sich Hans-Anton Nohr. Da hieß es umkehren, denn ins Sperrgebiet durften auch die Perleberger Spielleute nicht. Wenn es zu den Spielleuten nach Boizenburg gehen sollte, mussten Passierscheine beantragte werden. 1961 kam die Einberufung für Klaus und Gerhard Dröge. Während Klaus einer der letzten war, die freiwillig dienen wollten, galt bei Gerhard bereits ein anderes Gesetz, und er war einer der ersten Wehrpflichtigen. So schlug Klaus beim Stabsmusikkorps in Strausberg die Trommel, während Gerhard bei einer Artilleriebatterie diente. Als Militärmusiker in Berlin hatte zwar auch der "ältere" Bruder teilweise anstrengenden Dienst zu schieben, doch ging es dort wohl geruhsamer zu als bei der schweren Artillerie. Wie auch immer, als die beiden zurück nach Perleberg kamen, achteten sie stärker auf Marschdisziplin und Einheitlichkeit, sodass sich die Leistungen des Zuges weiter verbesserten. Dennoch gab es ein Nachwuchsproblem: Die Spielleute hatten nie mehr als zwölf bis 15 Mitglieder. "Es ergaben sich dann Kontakte zum Pritzwalker Spielmannszug unter Leitung von Dr. Kurt Becker", erzählt Klaus Dröge. Die mündeten darin, dass die Formationen aus den benachbarten Kreisstädten 1965 eine Spielgemeinschaft bildeten. "Das war ungewöhnlich, weil Pritzwalk ja im Bezirk Potsdam lag und wir zum Bezirk Schwerin gehörten", sagt Gerhard Dröge. "Aber damals hat sich niemand daran gestört." Am allerwenigsten die Musiker, die fortan gemeinsame Trainingslager abhielten und auch schon erste Bezirks-Wettbewerbe besuchten, wenn auch in den 60er Jahren ein so ausgeprägter Wettkampfbetrieb wie später noch nicht üblich war. Zu dieser Zeit stand auch fest, welche Sektion die zahlenmäßig stärkste in der BSG Empor Perleberg war: der Spielmannszug. Doch nur der spielte mit Auftritten auch Geld für die Vereinskasse ein. "Wenn wir zum 1. Mai oder zum 7. Oktober gespielt haben, gab es dafür kein Geld, aber bei den Auftritten zu Dorffesten wurde eine Gage gezahlt", sagt Klaus Dröge. Solch eine Bilanz konnte keine andere Sektion aufweisen, und so gab es lange Auseinandersetzungen darüber, wie viel Geld die Spielleute für sich behalten durften und wie viel sie an die BSG abführen sollten. "Aber letztlich hatten wir ja auch den größten Aufwand", meint entschlossen Gerhard Dröge. "Während wir am Wochenende gespielt haben, konnten die anderen sonst was machen." Gegen Ende des Jahrzehnts wurden Spielweise, Repertoire und die Auftritte professioneller. Das Zusammengehen mit Pritzwalk trug Früchte - für beide Seiten. Andreas König |
||||
|
||||